Die in diesem Jahr im Rahmen der ÖGMBT-Jahrestagung vergebenen Life Sciences Awards und PhD-Preise prämieren ein breites Spektrum biowissenschaftlicher Forschung: Die Bioinformatik half bei der Enhancer-Suche und in der Krebsdiagnostik, die Allergieforschung beim Entwickeln von Vakzinen.
Wir haben heute ein neues Projekt gelauncht“, begann ÖGMBT-Präsident Lukas Huber seine Ausführungen, als er am 19. September zur abendlichen Eröffnungs- und Preisverleihungszeremonie der diesjährigen ÖGMBT-Jahrestagung begrüßte: Zum ersten Mal wurde die Veranstaltung mit einer „Life Science Career Fair“ begonnen, an der mehr als 400 junge Biowissenschaftler teilnahmen und sich mit unterschiedlichen Perspektiven auf die eigene Karriereplanung beschäftigten. Etliche davon fanden sich danach im Hörsaal 1 des neuen Biologiezentrums am Djerassiplatz ein, um der Preisverleihung beizuwohnen. „Es ist schön, so viele jungen Menschen zu sehen“, freute sich Ulrike Unterer, Abteilungsleiterin für Schlüsseltechnologien im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft, das traditionell die von der ÖGMBT vergebenen „Life Science Research Awards“ in drei Kategorien mit einer Dotation von je 3.000 Euro ausstattet. „Wir unterstützen das pulsierende Feld der Lebenswissenschaften sehr gerne, in dem Forschung, Startups und Industrie aufeinandertreffen“, so Unterer. Insgesamt 36 junge Forscher haben sich für einen dieser Preise beworben. Bis heute gibt es eine Debatte um sogenannte „Junk DNA“: Haben große Teile unseres genetischen Materials gar keine biologische Funktion? Einigen nicht unmittelbar für Proteine codierenden Abschnitten konnten in den vergangenen Jahrzehnten zweifelsfrei Funktionen zugeordnet werden. Dazu gehören die sogenannten „Enhancer“-Sequenzen, mit denen sich Bernardo Almeida, Preisträger in der Kategorie „Basic Science“, beschäftigt hat. Enhancer stellen Bindungsstellen für bestimmte Proteine („Transkriptionsfaktoren“) dar. Binden diese, wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass ein anderes Gen transkribiert und somit die Produktion des von ihm codierten Proteins angeregt wird. Aber wie erkennt man unter den unzähligen Genabschnitten eines Genoms, welchen eine solche genregulierende Funktion zukommt? Almeida beschrieb einen lernenden Softwarealgorithmus („DeepSTARR“), der das Vorliegen einer Enhancer-Sequenz mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhersagen kann – wie die experimentelle Überprüfung zeigte. Mithilfe des Computermodells kann anhand von Motiv-Syntax-Regeln sogar zwischen unterschiedlichen Arten von Enhancern („housekeeping enhancers“, „developmental enhancers“) unterschieden werden. Die an der Modellfliege Drosophila gewonnenen Ergebnisse konnten zudem auch auf menschliche Enhancer-Sequenzen verallgemeinert werden.
Dem Immunsystem ein Schnippchen geschlagen
Den hohen Komplexitätsgrad des menschlichen Immunsystems zu verstehen, ist gerade im Kampf gegen virale Infektionen wie SARS-CoV-2 von immenser Bedeutung. Die Allergieforschung hat dazu einen besonderen Erfahrungsschatz erworben, aus dem Pia Gattinger schöfen konnte, die den diesjährigen Life Science Research Award in der Kategorie „Applied Research“ zuerkannt bekam. Am Institut für Pathophysiologie und Allergieforschung der Meduni Wien hatte man festgestellt, dass rund 20 Prozent der rekonvaleszenten COVID-Patienten sogenannte „RBD Non-Responder“ sind, also nicht ausreichend Antikörper auf die Rezeptorbindungsdomäne (RBD) des Spike-Proteins des angreifenden Virus bilden. Nun wusste man aber aus der Entwicklung Allergen-spezifischer Immuntherapien, dass die Generierung von Antikörpern gegen ein bestimmtes Antigen durch Fusion mit einem nicht näher verwandten Trägerprotein gesteigert werden kann. Gattinger und ihre Kollegen fusionierten daraufhin das PreS-Protein eines humanen Hepatitis-B-Virus mit der Bindungsdomäne des SARS-CoV-2-Spikes. Und siehe da: Das Vakzin verursachte im Tierversuch sowohl eine frühe als auch eine lang anhaltende Immunantwort. Nun soll das bisher von der Gruppe verwendete Wildtyp-Spike-Protein durch eines der Omikron-Variante ersetzt werden.Unter allen 36 für beide Kategorien eingereichten Arbeiten wurde heuer zum vierten Mal der Sonderpreis für wissenschaftlich herausragende Forschung mit gesellschaftlicher Relevanz vergeben. Der Preisträger Peter Peneder arbeitete an der St. Anna Kinderkrebsforschung an der Computer-unterstützten Analyse zellfreier DNA, die aus dem Blut von pädiatrischen Krebspatienten gewonnen wurde. Zusätzlich kam ein Tool zum Einsatz, das sich „Li-qourice“ nennt und mit dem tumorspezifische epigenetische Muster erkannt werden können. Mehrere auf diese Weise gewonnene Maßzahlen wurden dann in einen Algorithmus des maschinellen Lernens gespeist, um Tumoren mit geringen Mutationsraten aus der im Blut zirkulierenden DNA prognostizieren zu können.
Chromosomen verdichtet, Moleküle markiert
Der kleine Bruder des Research Award ist der Life Science PhD Award, für den es heuer 20 Einreichungen gab. Auch dieser wird jedes Jahr von der ÖGMBT in zwei Kategorien vergeben. Für die Grundlagenwissenschaften konnte diesmal Maximilian Schneider vom Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) in Wien punkten. Während der Zellteilung wird das zuvor lockere Chromatingerüst zu den Chromosomen verdichtet, die vom Spindelapparat mechanisch bewegt werden können. Schneider hat sich diesen Prozess näher angesehen. Dabei zeigte sich, dass jene Proteinkomplexe, die unter dem Namen „Kondensine“ bekannt sind, zwar für dieReorganisation der Chromatinfasern verantwortlich sind, die Verdichtung aber davon unabhängig ist und von Veränderun-gen der Histonacetylierung reguliert wird. Der Preis wurde von THP Medical Products gesponsert.In der Kategorie „Angewandte Forschung“ der Dissertationspreise nahm die ÖGMBT die Thematik des diesjährigen Chemie-Nobelpreises vorweg (dieser wurde zwei Wochen später bekannt gegeben): Mittels bioorthogonaler Markierung werden Moleküle im Inneren von Zellen durch eine Reaktion gekennzeichnet, die so selektiv ist, dass sie die übrigen biochemischen Prozesse in der Zelle nicht stören. Martin Wilkovitsch hat diesen Ansatz am Institut für Angewandte Synthesechemie der TU Wien genutzt, um chemische Bausteine zu erzeugen, die hohes Anwendungspotenzial in der Diagnostik, im Pretargeting und im gezielten Wirkstofftransport haben. Ein Beispiel dafür sind Antikörper-Radionuklid-Konjugate, bei denen der Antikörper dazu dient, einen in der Nuklearmedizin verwendeten radioaktiven Strahler an die richtige Stelle im Körper zu bringen. Das Preisgeld kam von Polymun Scientific.
Published in Chemiereport 07/2022