Auf großes Interesse stieß der Workshop „Advanced Cell Culture Technologies“, der kürzlich an der Universität für Bodenkultur stattfand. Behandelt wurde eine breite Palette an Themen, vom Einsatz Künstlicher Intelligenz bis zu Bioreaktorkonzepten.
Die Nachahmung physiologischer Aspekte in biologischen In-vitro-Systemen hat in den letzten Jahren rasant an Bedeutung gewonnen. Die ÖGMBTArbeitsgruppe „Zellbasierte Assays, Therapien und Produkte“ widmete diesem sehr aktuellen Thema kürzlich einen Workshop an der Universität für Bodenkultur (BOKU). Dessen Ziel war die Fortsetzung eines bereits 2018 ebenfalls an der BOKU abgehaltenen Workshops mit dem Schwerpunktthema „Mesenchymale Stammzellen“. Heuer ging es um Themen im Bereich „Advanced Cell Culture Technologies“. Zielgruppe waren vor allem Nachwuchswissenschaftler, für die vor allem der aktive Austausch wissenschaftlicher Arbeiten im Vordergrund stand. Zum Auftakt umrissen Antonina Lavrentieva (Leibniz Universität Hannover) und Jan Hansmann (Fachhochschule Würzburg Schweinfurt) Grundlagen, neue Entwicklungen der 3DZellkulturtechnologien und mögliche Anwendungen von Automatisierung und künstlicher Intelligenz (KI). Das weitere Programm bildeten Kurzvorträge zu einem breiten Spektrum von Themen, darunter 3DTumormodelle, 3DVerkapselungsstrategien und der Einsatz mechanischer Reize im TissueEngineering. Das Highlight des Workshops waren Roundtable-Gespräche zu ausgewählten Aspekten der Zellkulturtechnologien. Die Diskussionsrunde „Hydrogele in 3D-Zellkultur“ moderierte Dr. Farhad Chariyev-Prinz. Diskutiert wurde der Einsatz verschiedener Hydrogelsysteme für die Nachahmung physiologischer Aspekte in vitro. Hydrogele werden in verschiedensten Bereichen wie Tissue Engineering und der Entwicklung von Invitro-Modellsystemen eingesetzt. Obwohl die Anwendung von 3DSystemen im Vergleich zu den üblichen 2DSystemen einen erheblichen Fortschritt darstellt, steht die vollständige Nachahmung der physiologischen Eigenschaften noch aus. Dazu gehören die Verfügbarkeit spezifischer Bindungsstellen, der Einsatz Xenofreier Komponenten, die Entwicklung von Strategien zur Zellfreisetzung und die Realisierung gewebespezifischer mechanischer Eigenschaften. Als einfachster und wichtigster Ansatz wurde die „Verbesserung und Förderung der Zusammenarbeit zwischen Biologie, Chemie und Ingenieurwesen“ identifiziert.
Möglichkeiten und Herausforderungen
„Automatisierung und KI in Zellkulturtechnologien“ war der Titel der von Jan Hansmann moderierten Roundtable. Unter anderem wird KI bereits in der Bildanalyse angewandt. Beispiele für Teilautomatisierungen sind Pipettierroboter oder durchflusszytometrische Systeme (FACS). Ganzheitliche Systeme, die einen vollständigen Zellkulturprozess von der Zellisolierung bis zur Herstellung eines Zellkulturprodukts durchführen können, finden dagegen noch kaum Verwendung, nicht zuletzt wegen der Anschaffungskosten und des Bedarfs an hochqualifiziertem Personal. Zu den Hindernissen für die Nutzung von KIAnwendungen gehören Datenverfügbarkeit, laborspezifische Einschränkungen, Cybersicherheit und Vorbehalte von Forschern, da KITechnologien sehr komplex sind und in manchen Fällen wie eine Blackbox wirken. Eine gemeinsame Herausforderung für KI und Automatisierung sind die rechtlichen Rahmenbedingungen, etwa hinsichtlich Cybersicherheit oder automatisiertes Datenmanagement. Daher sollten Experten aus KI und Automatisierung in die Weiterentwicklung dieser Rahmenbedingungen einbezogen werden. Automatisierung sowie KI können die Standardisierung und Robustheit erhöhen und die Kosten in Zellkulturlabors senken. Ein weiteres starkes Argument für die Automatisierung ist die Freisetzung von Kapazitäten, wenn KI die Ergebnisbewertung unterstützt und Robotersysteme Routinearbeiten erledigen. In der Diskussionsrunde „Dynamische Kultursysteme und prozesse“, moderiert von Cornelia Kasper, wiederum ging es vor allem um die Bewertung bestehender Zellkultursysteme sowie um Trends auf diesem Gebiet. Laut Kasper wurde „schon früh in der Diskussion der Mangel an ‚gemeinsamen‘ Komponenten und Designs für ein ‚One-fits-all‘-Anwendungssystem deutlich“. Es gibt nur wenige Ansätze respektive Entwicklungen, die eine breitere Anwendbarkeit der Bioreaktoren ermöglichen würden. Weiters ging es um die Verwendung von Einwegkomponenten: „Die Menge an Plastikmüll ist immens und die Einwegtechnologie macht Prozesse teuer. Gleichzeitig müssen jedoch Sicherheitsaspekte, Robustheit, einfache Handhabung sowie die Skalierbarkeit berücksichtigt werden.“ Herausfordernd bleibe der Transfer von etabliertem Knowhow und Instrumentierung aus dem biopharmazeutischen Produktionsbereich in die (stamm)zellbasierte Therapieproduktion. „Eine engere Zusammenarbeit, Wissensaustausch und adaptive Konzeptualisierung für die Herstellung von Zelltherapien wären im Hinblick auf die Realisierung modularer Plattformen vom enormen Vorteil.“ Mit „Primärzellen der Zukunft“ beschäftigte sich der von Dominik Egger moderierte Roundtable. Die meisten Teilnehmer würden Primärzellen gerne häufiger in ihrer Forschung einsetzen, insbesondere im Rahmen von Studien zum Tissue Engineering für InvitroModelle. Limitierend wirken jedoch die begrenzte Verfügbarkeit, die begrenzte Expansion sowie die hohe Variabilität der Reproduzierbarkeit. Eine mögliche Lösung wäre die vermehrte Verwendung von Vorläuferzellen, die vor der endgültigen Differenzierung expandiert werden können. In Bezug auf die Reproduzierbarkeit diskutierte die Gruppe die Vor und Nachteile der Verwendung einer gepoolten Zellbank vieler Spender statt vieler biologischer Replikate. Vorgeschlagen wurde, ein Netzwerk von Klinikern und Wissenschaftlern aufzubauen, das ermöglichen würde, verfügbares Spendergewebe für die Isolierung von Zellen einfacher und schneller zu melden. So ließe sich verfügbares Gewebe für die Isolierung von mehr als einem Zelltyp durch mehr als eine Gruppe verwenden und die Effizienz von Gewebespenden erhöhen.„Monitoring und Imaging in 3DZellkulturen“ schließlich war das Thema der von Antonina Lavrentieva moderierten Diskussionsrunde. Diskutiert wurden der ktuelle Stand der Technik sowie bestehende Herausforderungen in diesem Bereich. Den Teilnehmern zufolge benötigen komplexere 3DKultivierungssysteme auch komplexere Analysewerkzeuge. Schwierig bleibt das HochdurchsatzScreening in 3DSystemen. Der „Goldstandard“ CLSM ist halbquantitativ und erfordert eine Molekülmarkierung, die die Zellfunktion und intrazelluläre Prozesse beeinflussen kann. Der RamanTechnologie fehlen Werkzeuge zur einfachen Analyse und Interpretation von Spektraldaten bezüglich biologisch relevanter Informationen. Die in jedem Labor verfügbare Fluoreszenzmikroskopie hat aber keine Z-Auflösung. Weitere Probleme sind die räumliche Heterogenität von 3DProben, die Aufrechterhaltung der Zelllebensfähigkeit und optische Gewebetransparenz. Es überwiegen Endpunktanalysen, die eine adäquate Normalisierung erfordern. Auch gibt es noch keine eindeutigen Definitionen von 3D-Konstrukten und deren Größen und Geometrien. Gewebereinigung ist eine mögliche Lösung, erfordert jedoch eine Gewebefixierung. Nichtoptische Methoden und linsenfreie Mikroskopie könnten in naher Zukunft dazu beitragen, komplexe 3DKonstrukte besser zu überwachen. Genetisch codierte Biosensoren und kleine Sensormoleküle liefern räumlichzeitliche Informationen für die nichtinvasive Überwachung von 3DKulturen.“
Positive Rückmeldungen
Überdies wurde auf dem Workshop ein Posterpreis verliehen. Die Gewinnerinnen sind Sonya Ciulean vom Fraunhofer Institut für Zelltherapie und Immunologie (IZI) in Leipzig sowie Julia Moldaschl vom Department für Biotechnologie, Institut für Zell und Gewebekulturtechnologien (ICTCT) der BOKU. Organisiert wurde der Workshop mit Unterstützung der ÖGMBT von Cornelia Kasper, Dominik Egger und Farhad ChariyevPrinz. „Wir haben sehr viele positive Rückmeldungen zu diesem Format erhalten und freuen uns sehr, dass wir nach der langen CoronaPause wieder einen „Live“Workshop anbieten konnten“, resümiert Kasper.
Der Beitritt zur und die aktive Mitarbeit in der Arbeitsgruppe „Zellbasierte Assays, Therapien und Produkte“ der ÖGMTB ist jederzeit möglich.
https://oegmbt.at/ueber-uns/working-groups/cbatpworking-groups/cbatp
Published in Chemiereport 03/2023