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Wir sind ab nun regelmäßig im CHEMIE REPORT mit einer ÖGMBT-Kolumne mit den neuesten Entwicklungen aus der österreichischen Life Science Szene vertreten. Wenn Sie einen interessanten Beitrag dazu leisten wollen, richten Sie Ihre Anfrage bitte an die Geschäftsstelle!

 

 

Befruchtende Forschung

on 13 November, 2025

Die ÖGMBT vergab im Rahmen ihrer Jahrestagung Forschungs- und Dissertationspreise, die deutlich zeigen, welche Qualität die heimische Biowissenschaft auf weisen kann. Die thematische Palette reichte von der Befruchtung einer Eizelle über die Verarbeitung von Synthesegas bis zu CAR-T-Zellen.

Bei allen Lebewesen mit sexueller Fortpflanzung ist die Verschmelzung von Ei- und Samenzelle der entscheidende Schritt zu Entstehung eines genetisch neuen Organismus. Der Vorgang ist lange bekannt und unzählige Male im Mikroskop beobachtet worden. Betrachtet man die zugehörigen Mechanismen auf molekularer Ebene, sind jedoch noch viele Fragen offen. Einen wichtige Puzzlestein haben Victoria Deneke und das Team von Andrea Pauli am Institut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien hinzugefügt, wofür die Erstautorin mit dem Life Sciences Research Award in der Kategorie „Grundlagenforschung“ prämiert wurde. Sie entdeckten ein Trimer aus den in Spermien exprimierten Proteinen Izumo1, Spaca6, and Tmem81, das sowohl in Zebrafischen als auch beim Menschen an Proteine bindet, die an der Oberfläche von Eizellen ausgeprägt werden. Interessant war aber auch der Weg zu dieser Entdeckung: Das Team um Deneke führte als ersten Schritt ein In-silico-Screening mithilfe von AlphaFold durch. Dieses Werkzeug benützt tiefe neuronale Netze dazu, die dreidimensionale Proteinstruktur auf der Basis der Aminosäuresequenz vorhersagen (die Entwicklung wurde 2024 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet). Wenn das möglich ist, kann man darauf aufbauend auch schauen, welche Strukturen verschiedener Proteine zueinanderpassen wie der sprichwörtliche Schlüssel ins Schloss. Genau ein solches „Multimer-Screening“ führze die Gruppe mit bekannten essentiellen Faktoren der Kopplung an Eizellen „gegen“ eine Bibliothek von 1.400 Proteinen, die in den Hoden von Zebrafischen exprimiert werden, durch. Dabei kam als bisher neues Fundstück heraus: Der Faktor Izumo1 bindet an Tmem81, von dem man bisher nicht wusste, dass es am Fertilisationsprozess teilnimmt. Weitere Untersuchungen führten zum eingangs genannten Trimer, von dem schließlich auch experimentell nachgewiesen werden konnte, dass es an Proteinstrukturen der Eizelle bindet – wenn auch bei Zebrafisch und Mensch an unterschiedliche. Dass in der Studie ein KI-basiertes System verwendet wurde und im Anschluss die experimentelle Bestätigung der Vorhersagen demonstriert werden konnte, fand in der Begründung der Jury besondere Erwähnung.

Bakterien verarbeiten Synthesegase
Die mit dem Preis für angewandte Forschung ausgezeichnete Arbeit ging von einer ganz praktischen Fragestellung aus: Ist es möglich, Synthesegas (eine durch industrielle Prozesse gewonnene Mischung aus H2, CO und CO 2 ) mithilfe von Mikroorganismen zu energiereichen Chemikalien zu verarbeiten. Gute Kandidaten dafür wären etwa das acetogene (also Essigsäure produzierende) Bakterium Thermoanaerobacter kivui – wenn das Kohlenmonoxid im Gemisch nicht toxisch für wichtige Enzyme des Metabolismus wäre. Eine Forschergruppe rund um Remi Hocq vom Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und technische Biowissenschaften der TU Wien hat verschiedene Stämme gezielt auf Synthesegas gezüchtet und Isolate gewonnen, die besonders gut mit CO umgehen können. Dabei zeigte sich, dass dies mit der Ausbildung eines Megatransposons verknüpft ist: Eine Reihe von Genen wurde verdoppelt und in ein zirkuläres extrachromosomales Element verfrachtet, was diese Gene mobilisiert und Eigenschaften nutzbar macht, die für die Verarbeitung von CO essentiell sind. „Diese neuen Erkenntnisse können nun genutzt werden, um Mikroorganismen zu entwickeln, die Kohlenmonoxid in ssigsäure und andere wertvolle Produkte umwandeln können“, so die Jury in ihrer Begründung.

Zelltherapie systematisch verbessern
Gesellschaftlicher Nutzen wird in der dritten Kategorie der Life Sciences Research Awards gewürdigt – besonders gerne dann, wenn er da gestiftet wird, wo bisherige herapieoptionen versagen. Die CAR-T-Zelltherapie, bei der patienteneigene Immunzellen genetisch so verändert werden, dass sie spezifische Antigene auf Krebszellen attackieren können, hat in jüngerer Zeit vielversprechende Ergebnisse bei Leukämien gezeigt, leidet aber immer noch unter bescheidenen Remissionsraten, häufigen Rückfälle und einer geringen Wirksamkeit bei soliden Tumoren. Eugenia Pankevich aus der Gruppe von Christoph Bock am CeMM (Research Center for Molecular Medicine der ÖAW) ging die Aufgabe der Optimierung von CAR-T-Zellen denkbar systematisch an: Sie führte ein genomweites CRISPR-Screening durch (die Genschere wird hier verwendet, um ein Gen nach dem anderen auszuschalten) und konzentriertere sich auf Folgewirkungen, die Zellvermehrung, Target-Erkennung, Aktivierung, Zelltod und Fratrizid (“Brudermord“ unter T-Zellen) betrafen. Die vielversprechendsten „Screening Hits“ wurden an einem Xenograft-Modell für humane Leukämie getestet. „Die bemerkenswerteste Entdeckung war eine Double-Knockout-CAR-T-Zelle, die in präklinischen Modellen sowohl bei Leukämie als auch bei soliden Tumoren eine starke Wirksamkeit zeigte“, meint die Jury. Alle drei prämierten Arbeiten sind in höchst renommierten Zeitschriften erschienen – ein weiterer deutlicher Hinweis auf die Qualität der biowissenschaftlichen Forschung in Österreich: Deneke publizierte in Cell, Penkevich in Nature, die Arbeit von Hocq erschien in Nature Communications. 

Von Fledermäusen und Menschen
Qualität und wissenschaftlichen Einfallsreichtum weisen auch die ausgezeichneten Doktorarbeiten auf. Yannick Weyer dissertierte am Institut für Zellbiologie der Medizinischen Universität Innsbruck und beschäftigte sich dort mit den Mechanismen, die der Golgi-Apparat (ein System membranumschlossener flacher Hohlräume in eukaryotischen Zellen) enutzt, um Proteine zum Zwecke der Qualitätssicherung auszusortieren. Er fand, dass ein Komplex des Apparats (der Dsc Ubiquitin-Ligase-Komplex) Moleküle mit zu kurz geratenen Transmembran-Domänen markiert, um sie auf verschiedenen Wegen abbauen zu lassen. Dafür erhielt er den PhD-Award für Grundlagenforschung. In der "Angewandten“ punktete Max Josef Kellner, der sich am Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) in Wien damit befasst hat, wie man sich auf künftige Pandemien durch schnelle Virus-Identifikation vorbereiten könnte. Denn wenn wieder ein RNA-Virus von einer Tierpopulation auf die menschliche überspringt, ist nicht viel Zeit, um Methoden zu entwickeln. Kellner baute eine Detektionsplattform auf der Basis der „Loop-Mediated Isothermal Amplification“ (LAMP), für die man keine Laborinfrastruktur benötigt. Und er etablierte ein Organoid-Modell für Schleimhaut-Barrieregewerbe der Nilflughunde – einer Fledermaus-Art, die ein natürliches Reservoir zoonotischer Viren darstellt. Mit diesem Modell lassen sich direkte Vergleiche der antiviralen Antwort zwischen den Epithelzellen von Fledermäusen und Menschen anstellen.

Published in Chemiereport 07/2025

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