Die Grazer Biotechnologin Aleksandra Fuchs befasst sich mit innovativen Technologien im Zusammenhang mit der Erzeugung von kultiviertem Fleisch. Ihre Arbeiten könnten auch für die Pharmaindustrie von Bedeutung sein.
Die Herausforderung sollte wohl keineswegs unterschätzt werden: Bei Fortschreibung der derzeitigen Trends könnte sich der weltweite Bedarf an Fleisch bis zur Mitte des Jahrhunderts näherungsweise verdoppeln. Das Problem: Zwar stellt die Viehzucht etwa 37 Prozent der von der Menschheit benötigten Proteine bereit. Aber damit werden nur 18 Prozent der erforderlichen Kalorien abgedeckt. Und schon derzeit entfallen auf die Fleischproduktion nicht weniger als 17 Prozent sämtlicher Treibhausgasemissionen.
Als wichtig für die künftige Ernährung der Menschheit gilt nicht zuletzt deshalb Kunstfleisch, sei es auf Basis tierischer Stammzellen, sei es auf pflanzlicher Grundlage. Seine Herstellung ist llerdings mit erheblichen Schwierigkeiten und Herausforderungen verbunden. Mit deren Überwindung befasst sich Aleksandra Fuchs, Wissenschaftlerin am Austrian Centre of Industrial Biotechnology (ACIB) mit Sitz an der Technischen Universität Graz. Zu den Schwerpunkten ihrer Arbeit gehört, Zellkulturmedien für das Wachstum sowie die Proliferation der Stammzellen von Rindern, Schweinen und Schafen zu optimieren. Im Zuge ihrer Tätigkeit gelang es, der zu großen Abhängigkeit der Stammzellen-basierten Kunstfleischerzeugung von Albuminen maßgeblich entgegenzuwirken, die für die Kultivierung von Zellen in Kälberserum-freiem Nährmedium häufig verwendet und üblicherweise aus Rinderblut gewonnen werden, was mit vergleichsweise hohen Kosten verbunden ist. Unter Nutzung gentechnisch modifizierter Hefezellen erwies es sich als möglich, bestimmte Wachstumsfaktoren (Zytokine) ohne den Einsatz von Bakterien zu erzeugen. Der Vorteil ist laut Fuchs: „Bakterien wie Escherichia coli, die für derartige Zwecke üblicherweise Verwendung finden, produzieren auch Endotoxine. Diese müssen mit aufwendigen und teuren Aufreinigungsverfahren von den Wachstumsfaktoren getrennt werden. Bei den Hefekulturen entfällt dieser Schritt.“ Fuchs zufolge entstehen in solchen Kulturen pro Zeiteinheit zwar weniger Wachstumsfaktoren als in den Bakterienkulturen. Doch der Entfall der Aufreinigung macht die von ihr entwickelte Technologie nicht zuletzt auch wirtschaftlich attraktiv. Ferner beschäftigt sich Fuchs damit, landwirtschaftliche Reststoffe für die Herstellung der Zellkulturmedien zu nutzen, um den ökologischen Abdruck des kultivierten Fleisches zu reduzieren. In diesem Bezug konnte Fuchs nachweisen, dass sich chemisch hergestellte Basismedien für Zellkulturen durch Hydrolysate auf der Grundlage nicht gentechnisch veränderter Hefen und Pflanzen ersetzen lassen. Solche fallen etwa beim Bierbrauen als Reststoff an und werden bisher hauptsächlich als Futter für landwirtschaftliche Nutztiere verwendet. Chemisch erzeugte Basismedien sind meist sehr speziell zusammengesetzt und eignen sich nicht fürs Up-Scaling. In ihren Arbeiten konnte Fuchs indessen nachweisen, dass derart aufwendig hergestellte „fully chemically defined“ Medien für die Zellproduktion gar nicht erforderlich sind. Ferner arbeitet Fuchs an einer Methode, um Zellkulturmedien zu recyceln. Ihr Ansatz besteht darin, dem Medium nach der Fleischproduktion neues Hydrolysat zuzuführen: „Wertvolle Substanzen wie Vitamine, Mineralstoffe und eine Reihe von Aminosäuren sind in dem Medium nach wie vor enthalten. Wir bringen mit dem Hydrolysat einige weitere Stoffe wieder ein, die nicht mehr oder nur mehr in unzureichender Konzentration vorhanden sind. Parallel werden Metabolite, wie Laktat und Ammoniak, von GMO-freien GRAS-Mikroorganismen ausfiltriert. Damit kann das Medium den Produktionszyklus mehrere Male durchlaufen.“
Roadmap für die Wirtschaft
Eingebunden ist Fuchs auch in das EU-Projekt Fostering European Cellular Agriculture for Sustainable Transition Solutions (FEASTS), in dem 35 Institutionen aus 16 Staaten zusammenarbeiten und das über seine Laufzeit von 36 Monaten mit sieben Millionen Euro dotiert ist. Das Projekt zielt darauf ab, eine umfassende Wissensgrundlage über Fleisch und Meeresfrüchte aus dem Bioreaktor und deren Bedeutung im Ernährungssystem zu schaffen. Die Aufgabe von Fuchs und den Partnern besteht darin, eine „Roadmap“ zu entwickeln, die einschlägig interessierten Unternehmen den Einstieg in entsprechende Produktionstechnologien sowie in diesbezügliche Kooperationen mit anderen Firmen, aber auch mit wissenschaftlichen Einrichtungen, erleichtert. Mithilfe der Roadmap können die Unternehmen von dem von ihnen angestrebten Endprodukt ausgehen und Wege zu dessen Erzeugung ermitteln, nicht zuletzt unter Nutzung der jeweils lokal respektive regional verfügbaren Ressourcen. „Dabei geht es um die Herstellung der Zellkulturmedien ebenso wie um die Produktion von Fleisch oder Fisch in unterschiedlichen Varianten“, erläutert Fuchs. Die Roadmap wird nach Abschluss von FEASTS im November des kommenden Jahres öffentlich zugänglich sein. Als wissenschaftliche Beraterin des Start-ups Yflavour beschäftigt sich Fuchs überdies damit, eine der wichtigsten Schwachstellen von pflanzenbasiertem Kunstfleisch auszumerzen: den Geschmack, der von etwa 80 Prozent der Konsumenten als wenig attraktiv erachtet wird. „Wir nutzen unser Wissen im Bereich der Fermentation, um das Fettsäuren- und Zuckerprofil der Produkte zu verbessern. In Kooperation mit namhaften Erzeugern konnten wir dabei bereits einige Erfolge erzielen“, berichtet die Wissenschaftlerin.
Bedeutung für die Pharmabranche
Von Bedeutung könnten die Ergebnisse der diesbezüglichen Forschungen der Biotechnologin und ihrer Kollegen auch für die Pharmaindustrie sein. Sie ermöglichen, in den Zellkulturmedien auf Fötales Bovines Serum (FBS) zu verzichten, ohne an Effizienz einbüßen zu müssen. Der Vorteil: FBS enthält eine Vielzahl von Proteinen mit oft unbekannten Nebenwirkungen. Dazu kommt, dass die Zusammensetzung des Serums von Tier zu Tier gewisse, wenn auch oft nur geringfügige Unterschiede aufweist – ein klassisches Problem bei der Sicherung der Qualität in der biotechnologischen Produktion. Dazu kommt, dass der Bedarf an biobasierten Arzneimitteln (Biologika und Biosimilars) kontinuierlich zunimmt. „Das bringt eine zunehmende Nachfrage nach dem Serum mit sich. Und die weltweiten Produktionskapazitäten sind alles andere als unbegrenzt“, erläutert Fuchs. Aufgrund dessen befindet sich die Pharmabranche bereits seit langem auf der Suche nach möglichen Alternativen.
Vielbeachteter Poster
Einige wesentliche Ergebnisse ihrer Forschungen präsentierte Fuchs unter anderem im Herbst 2024 bei der Jahrestagung der ÖGMBT mit einem viel beachteten Poster. Für Kooperationen und weitere Projekte ist die Biotechnologin stets offen. Auch dabei kann die ÖGMBT mit ihrem weit gespannten Netzwerk von Nutzen sein.
oegmbt.at
acib.at
feasts-innovation.eu
Published in Chemiereport 06/2025


