Der Workshop der Arbeitsgruppe „Zellbasierte Assays, Therapien und Produkte“ der ÖGMBT war auch diesmal ein voller Erfolg. Hochkarätige Vorträge zeigten ein breites Spektrum wesentlicher Themen, junge Forschende präsentierten eindrucksvolle Arbeiten.
he Evolving Landscapes of Cell Culture: Advancing Technologies and Future Prospects“ war der Titel eines Workshops, den die Arbeitsgruppe „Zellbasierte Assays, Therapien und Produkte“ der Österreichischen Gesellschaft für Molekulare Biowissenschaften und Biotechnologie (ÖGMBT) kürzlich an der Universität für Bodenkultur in ien (BOKU) abhielt. Die Keynotes, Kurztalks, Posterflashes und Company Sessions behandelten ein bemerkenswert breites und tiefgreifendes wissenschaftliches pektrum. dieses umfasste zentrale Herausforderungen und Innovationen in der regenerativen Medizin, Zellkulturtechnik, Tumormodellierung und Translation in klinische Anwendungen. Die Beiträge zeigten eindrucksvoll, wie technologischer Fortschritt und biologisches Verständnis zusammenwirken, um präklinische Modelle zu verbessern, Zelltherapien sicherer zu machen und die Lücke zwischen Forschung und Anwendung zu schließen. Dominik Egger, Professor am Institut für Zellbiologie und Biophysik er Leibniz Universität Hannover (LUH), eröffnete die wissenschaftliche Diskussion mit einem fundamentalen Beitrag zur Rolle von Sauerstoffverfügbarkeit in der auf das mbryonale Bindegewebe bezogenen mesenchymalen Stammzellbiologie. In seiner Keynote beleuchtete er die Bedeutung hypoxischer Bedingungen in physiologischen 3D-Zellkultursystemen. Hypoxie (Sauerstoffmangel) beeinflusst maßgeblich zelluläre Prozesse wie metabolische Adaption, Genexpression und Differenzierung. Besonders relevant sind diese Bedingungen in der Isolation und Expansion von mesenchymalen Stammzellen (MSCs), da hier Zellviabilität und Stammzelleigenschaften erhalten werden.
Auch die Produktion extrazellulärer Vesikel (EVs) wird durch Hypoxie beeinflusst. Dieser Effekt ist insbesondere in Hinblick auf das therapeutische Potenzial dieser zellfreien Komponenten interessant. Der Vortrag unterstrich die Notwendigkeit, In-Vitro-Modelle stärker an In-vivo-Gegebenheiten anzugleichen – ein Aspekt, der für Translation und Modellvalidierung von zentraler Bedeutung ist. Kurzvorträge hielten unter anderem Dea Kukaj, Forschungsassistentin an der Abteilung für Physiologie und Pathophysiologie der Veterinärmedizinischen Universität (VetMed) Wien, Heinz Wanzenböck, Dozent an der Technischen Universität Wien, und Oscar Aponte, Projektmitarbeiter am Institut für Zell- und Gewebekulturtechnologien der Wiener Universität für Bodenkultur (BOKU). Kukaj widmete sich einem bislang wenig erforschten, aber hochrelevanten Aspekt der MSC-Forschung, der Donor-spezifischen Variabilität. Wanzenböck präsentierte ein innovatives 3D-Tumor-on-a-Chip-System, das mikrophysiologische Bedingungen menschlicher Tumoren hochrealistisch nachbildet. Aponte stellte ein hochtechnologisches, milli-fluidisches System zur automatisierten Verkapselung von MSCs in einem Hydrogelsystem (GelMA) vor, das ein skalierbares und standardisiertes Verfahren unter dynamischen Kulturbedingungen ermöglicht.
Biogedruckte Tumorgewebe
Michael Außerlechner, der Leiter des Molekularbiologischen Forschungslabors der Medizinischen Universität Innsbruck, ging in seiner Keynote einen Schritt weiter in Richtung einer vollständigen humanen Testplattform: Mit 3D-biogedruckten, mikrovaskularisierten Tumorgeweben auf Chipbasis entwickelt seine Arbeitsgruppe ein leistungsfähiges Modell zur Untersuchung von Tumorwachstum, Angiogenese, Metastasierung und Arzneimittelwirkung. Die Fähigkeit, Kapillarnetze in diesen Chips zu kultivieren, ermöglicht die Testung antiangiogener Substanzen ebenso wie die Visualisierung metastatischer Prozesse. Besonders eindrucksvoll war die Demons tration
von Tumorinteraktionen mit biofabrizierten mesothelialen Oberflächen und die Integration von Tumorsphäroiden in komplexe Mikrofluidiksysteme. Dieses Modell bietet ein realitätsnahes Testfeld für mittel bis hochdurchsatzfähige Drug-Screenings mit hohem translationalem Wert. Im Anschluss an die Keynote von Michael Außerlechner folgte ein weiteres Highlight des Workshops: die Posterflashes. Besonders hervorzuheben war dieses im Workshop initiierte Format, das 18 jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine prominente Bühne bot: Vor dem eigentlichen Posterwalk hatten die Präsentierenden die Möglichkeit, ihre Themen in Kurzvorträgen vorzustellen und so gezielt Interesse für die anschließenden Diskussionen an ihren Postern zu wecken. Die Verleihung des Posterpreises am Ende der Veranstaltung, durchgeführt von den Jungorganisatorinnen Jule Michler und Isita Sagar, würdigte herausragende wissenschaftliche Leistungen und stärkte die Sichtbarkeit des wissenschaftlichen Nachwuchses im Rahmen der Tagung. Den Preis erhielt Marina Rodríguez Harzi von der Leibniz-Universität Hannover für das Poster „Characterization of hydrogel-based and scaffold-free 3D in vitro constructs using genetically encoded biosensors for hypoxia and reactive oxygen species detection“.
Genetische Integrität
Am zweiten Tag des Workshops lenkte in der dritten Keynote Heidrun Holland, Forschungsgruppenleiterin am Translationszentrum für Regenerative Medizin (TRM) der Universität Leipzig, den Fokus auf ein zentrales Qualitätskriterium in der Zelltherapie: die genetische Integrität. Sie diskutierte, wie chromosomale Aberrationen (beispielsweise Copy-Number-Variationen, cn-LOH) während der Zellkultur entstehen und das therapeutische Potenzial kompromittieren können. Um die Qualität in Zellkulturen zu sichern, ist eine systematische genetische Charakterisierung entlang der gesamten Prozesskette notwendig – von der Grundlagenforschung über präklinische Studien bis zur klinischen Anwendung. Der Beitrag Hollands machte deutlich, dass Sicherheit und Wirksamkeit zellbasierter Produkte untrennbar mit einer konsequenten genetischen Überwachung verbunden sind. Hollands Keynote folgten weitere Kurzvorträge, gehalten unter anderem von Peter Stoll vom Forschungszentrum Molecular Biotechnology der Fachhochschule Campus Wien, Antonella Murrone, Tierärztin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Klinik für Pferde (KFP) der Universität Leipzig sowie Barbara Blasi vom Institut für Pathologie der Wiener VetMed. Stoll behandelte die Frage, wie Nahrungsmittelallergene – speziell Tropomyosine – die intestinale Barriere überwinden und so allergische Reaktionen auslösen können. Murrone präsentierte ein systematisches Protokoll zur zytologischen Analyse equiner Synovialflüssigkeit („Gelenkschmiere“), um möglichst viele vitale Zellen zu gewinnen und deren Morphologie zu erhalten. Blasi stellte erstmals eine stabile porzine alveolare Epithelzelllinie vor, die erfolgreich aus Schweinelungen isoliert, über 80 Passagen kultiviert werden konnte und für Infektionsversuche mit dem schwer kultivierbaren Erreger Pneumocystis suis eingesetzt werden kann.
Anregende „Company Sessions“
Große Aufmerksamkeit fanden an beiden Tagen die „Company Sessions“, bei denen acht ausstellende Unternehmen ihre Produkte und Dienstleistungen zur Zellkulturanalyse und -optimierung darboten – von innovativen Matrixmaterialien über moderne Zellanalysegeräte bis hin zu Softwarelösungen für die automatisierte Kultivierung. Die Teilnehmenden hatten dabei die Gelegenheit, sich an den Ausstellungsständen praxisnah zu informieren und konkrete Lösungen für ihre Forschungslabore zu diskutieren. Diese Keynotes, Posterflashes, Kurztalks und Company Sessions unterstrichen, wie entscheidend innovative Technologien, differenzierte Zellmodelle und interdisziplinäre Ansätze für den Fortschritt in regenerativer Medizin, Onkologie und Zelltherapie sind. Organisiert wurde der Workshop von Cornelia Kasper und Isita Sagar von der BOKU sowie Janina Burk-Luibl, Jule Michler und Doris Wilflingseder von der Veterinärmedizinischen Uni Wien. Die nächste
Ausgabe des interaktiven Formats darf mit Spannung erwartet werden. Interessierte Forscherinnen und Forscher sind herzlich eingeladen, der ÖGMBT-Working Group
„Cell based assays, therapies and products“ beizutreten.
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Published in Chemiereport 05/2025