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Wir sind ab nun regelmäßig im CHEMIE REPORT mit einer ÖGMBT-Kolumne mit den neuesten Entwicklungen aus der österreichischen Life Science Szene vertreten. Wenn Sie einen interessanten Beitrag dazu leisten wollen, richten Sie Ihre Anfrage bitte an die Geschäftsstelle!

 

 

Herausragende Leistungen

on 29 October, 2024

Beeindruckende Arbeiten junger Forschender zeichneten die Österreichische Gesellschaft für Molekulare Biowissenschaften und Biotechnologie (ÖGMBT) und ihre Partner bei der Jahrestagung in Graz aus. Die Bandbreite der Themen reichte von der Krebsforschung bis zur Eindämmung des Klimawandels.

Auch heuer vergab die Österreichische Gesellschaft für Molekulare Biowissenschaften und Biotechnologie (ÖGMBT) wieder ihre Life Scien-ces Research und PhD Awards Austria für herausragende Leistungen junger Forschender. Die 21-köpfige Jury hatte die schwere Aufgabe, aus den überwiegend sehr hochwertigen Einreichungen die besten Arbeiten zu prämieren. Die Life Sciences Research Awards Austria sind mit insgesamt 9.000 Euro dotiert und werden in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Arbeit und Wirtschaft (BMAW) verliehen. Den Preis in der Kategorie „Grundlagenforschung“ (Basic Science) erhielt Chiara Maria Herzog vom European Translational Oncology Prevention and Screening Institute (EUTOPS) der Universität Innsbruck. Sie befasste sich mit den Effekten von Zigarettenrauch auf epigenetische Modifikationen, also Veränderungen der DNA, die durch Umweltfaktoren ausgelöst werden. In einer Arbeit, die im Fachjournal „Cancer Research“ veröffentlicht wurde, konnte Herzog zeigen, dass einige dieser epigenetischen Veränderungen nicht nur bei Rauchern, sondern auch bei E-Zigaretten-Nutzern und der Krebsentstehung auftreten und damit als prognostisches Merkmal für Lungenkrebs dienen können. Diese Erkenntnis unterstreicht die Bedeutung ihrer Forschung für die Bewertung der Risiken neuer Nikotinprodukte. Die Wissenschaftlerin absolvierte ihre Ausbildung in Neurowissenschaften und Molekularmedizin an der Universität von Edinburgh (Schottland) und an der Medi-zinischen Universität Innsbruck. Neben ihrer Arbeit am EUTOPS ist sie am Institute for Women’s Health (University College London) tätig.

Mikroben im Untergrund

In der Kategorie „Angewandte Forschung“ (Applied Research) ging der Preis an Cathrine Hellerschmied vom Institut für Umweltbiotechnologie (IFA-Tulln) der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien. Hellerschmied arbeitete im Rahmen ihres Masterstudiums am Projekt „Underground Sun Conversion“ der Rohöl-Aufsuchungsgesellschaft (RAG) mit. Dabei ging es um die Speicherung elektrolytisch aus Wasser gewonnenen („grünen“) Wasserstoffs in unterirdischen Gesteinsformationen. Hellerschmied untersuchte den Stoffwechsel in den Formationen vorkommender Mikro organismen und dessen Auswirkungen auf den eingespeicherten Wasserstoff. Gemeinsam mit ihren Kollegen konnte sie zeigen, dass die großtechnische und dauerhafte unterirdische Speicherung von Wasserstoff möglich ist. Entsprechende Technologien sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer kohlenstoffneutralen und nachhaltigen Wirtschaft.Hellerschmied absolvierte das Studium der Medizinischen und Pharmazeutischen Biotechnologie an der BOKU. Derzeit ist sie mit ihrer PhD-Ausbildung am Center of Microbiology and Environmental Systems Science (CeMESS) der Universität Wien befasst.

Erkrankungen früh erkennen

Der Life Sciences Research Award Austria in der Kategorie „Excellence and Societal Impact“ schließlich wurde Elma Dervic vom Complexity Science Hub Wien verliehen. Sie hat modernste Computerverfahren entwickelt und auf umfangreiche Gesundheitsdaten (44 Millionen Datensätze) angewandt, um Krankheitsverläufe der österreichischen Bevölkerung über mehr als 15 Jahre zu analysieren. Dabei ist es ihr gelungen, frühe Anzeichen, die auf eine bevorstehende Erkrankung hinweisen, zu identifizieren. Laut den Jury-Vorsitzenden Lukas Mach und Joachim Seipelt besteht der besondere gesellschaftliche Nutzen der Arbeit Dervics „in einem verbesserten Verständnis der langfristigen Entwicklung von Krankheiten. Diese Forschung ermöglicht die Entwicklung gezielter Prognose- und Interventionsmaßnahmen, die früh ansetzen. Dadurch können Krankheitsverläufe positiv beeinflusst werden und die Gesundheitsversorgung insgesamt optimiert werden“. Dervic absolvierte ein Masterstudium als Elektroingenieurin an der Universität von Montenegro in Podgorica. Ihren Doktorgrad erwarb sie an der MedUni Wien.

Zellulärer Exportkomplex

Ferner verlieh die ÖGMBT gemeinsam mit der THP Medical Products und der Polymun Scientific die Life Sciences PhD-Awards Austria in den Kategorien „Grundlagenforschung“ und „Angewandte Forschung“. Sie sind mit jeweils 1.500 Euro dotiert. Den Preis in der Kategorie „Grundlagenforschung“ erhielt Francis Belén Pacheco-Fiallos vom Institut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien. Sie beschäftigte sich in ihrer Dissertation mit dem Titel „Nuclear mRNA recognition and packaging by the Transcription and Export complex“ mit dem Transkriptions- und Exportkomplex (TREX) der Zellen von Eukaryoten, also Menschen, Tieren, Pflanzen und Pilzen. Dabei gelang es ihr laut der Juryvorsitzenden dieser Kategorie, Viktoria Weber, eine hochauflösende Strukturaufklärung eines Teils des menschlichen TREX-Komplexes durchzuführen sowie „strukturelle Einblicke in die durch TREX vermittelte mRNP-Erkennung zu gewinnen“. Diese Erkenntnisse tragen dazu bei, das Verständnis der mRNA als kompakte Struktur neu zu definieren. Überdies lassen sie sich zur Entwicklung gezielter Gentherapien und RNA-basierter Behandlungen für eine Reihe von Krankheiten nutzen. Nicht zuletzt können mRNAs mit verbesserter Stabilität entwickelt werden. Dies ist vor allem für die Herstellung wirksamerer mRNA-Impfstoffe wesentlich. Laut der ÖGMBT zeichnet sich die Arbeit der Wissenschaftlerin „durch einen exzellenten wissenschaftlichen Zugang und durch methodische Innovation aus und besitzt das Potenzial, sowohl in der Grundlagenforschung als auch in der Anwendung bedeutende Fortschritte zu erzielen“. Pacheco-Fiallos ist gebürtige Nicaraguanerin. Ihr PhD-Studium absolvierte sie am IMP bei Clemens Plaschka. Zurzeit ist sie dort in der Arbeitsgruppe von Alejandro Burga tätig.

Hefe gegen Klimawandel

Der PhD-Award in der Kategorie „Angewandte Forschung“ ging an Michael Baumschabl von der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) und dem Austria Center of Industrial Biotechnology ACIB. Seine Forschungsarbeit mit dem Titel „Increasing efficiency of CO2 assimilation in synthetic autotrophic Komagataella phaffii“ ist laut ÖGMBT ein „Meilenstein in der Bekämpfung des Klimawandels“. Mithilfe genetischer Veränderungen einer Hefeart, konkret der Optimierung von Schlüsselenzymen im Calvin-Benson-Bassham-Zyklus, und der Integration heterologer Gene, entwickelte Baumschabl ein Verfahren zur Produktion von Milchsäure als Grundlage für umweltfreundliche Biokunststoffe aus CO2 in der Atmosphäre. Als besonders bemerkenswert bezeichnet die ÖGMBT „die Identifizierung und Charakterisie-rung eines Phosphoglykolat-Recyclingwegs in der Hefe. Dieser Mechanismus ist entscheidend für die Stabilität und Effizienz des CO2-Fixierungsprozesses und eröffnet neue Möglichkeiten zur weiteren Optimierung des so nützlichen Prozesses“. Baumschabls Arbeiten könnten die Entwicklung nachhaltiger Produktionsverfahren für eine Vielzahl von umweltfreundlichen Produkten aus atmosphärischem CO2 beschleunigen. Darunter sind Biokunststoffe und Biokraftstoffe ebenso wie pharmazeutische Wirkstoffe. „Die interdisziplinäre Natur dieser Arbeit sowie die Verbindung von Mikrobiologie, Biotechnologie und Grundlagenforschung unterstreicht die Relevanz für die großen Herausforderungen unserer Zeit. Mit seiner innovativen Forschung hat Michael Baumschabl einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung einer nachhaltigen Bioökonomie geleistet“, heißt es seitens des Juryvorsitzenden Thomas Caspari. Baumschabl absolvierte das Masterstudium sowie seine PhD-Ausbildung der Biotechnologie an der BOKU. Nach einer Tätigkeit im Forschungs- und Innovationszentrum der Agrana kehrte er an die BOKU sowie das ACIB zurück.

Wichtig für den Wohlstand

Verliehen wurden die Preise im Rahmen des ÖGMBT-Jahreskongresses, der heuer im neuen Gebäude der Grazer Universitätsbibliothek neben dem Areal der Fakultät für Rechts-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, dem „ReSoWi-Komplex“, stattfand. Der Hörsaal der Biblithek ist einer breiteren Öffentlichkeit von den Fernseh-Auftritten der „Science Busters“ bekannt. Die drei Life Sciences Research Awards wurden auch 2024 wieder vom Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft gesponsert. Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher: „Die Life Sciences Research Awards fördern junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – eine Initiative, die dazu beiträgt, den Forschungsstandort Österreich weiter auszubauen. Denn Forschung und Entwicklung sind Schlüsselfaktoren für Österreich im internationalen Wettbewerb und tragen dazu bei, hochwertige Arbeitsplätze zu sichern und zu generieren. Mit einer vo raussichtlichen Forschungsquote von 3,34 Prozent, also dem Anteil der For-schungs- und Entwicklungsausgaben am nominellen Bruttoinlandsprodukt, ist Österreich auf einem guten Weg Platz eins in Europa zu werden und als Forschungsnation zu den vier Innovationsleadern aufzusteigen.“

www.oegmbt.at/awards/research-award
www.oegmbt.at/awards/phd-award

Published in Chemiereport 06/2024