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Wir sind ab nun regelmäßig im CHEMIE REPORT mit einer ÖGMBT-Kolumne mit den neuesten Entwicklungen aus der österreichischen Life Science Szene vertreten. Wenn Sie einen interessanten Beitrag dazu leisten wollen, richten Sie Ihre Anfrage bitte an die Geschäftsstelle!

 

 

Neue Perspektiven für Zellkulturtechnologien

on 01 June, 2023

Auf großes Interesse stieß der Workshop „Advanced Cell Culture Technologies“, der kürzlich an der Universität für Bodenkultur stattfand. Behandelt wurde eine breite Palette an Themen, vom Einsatz Künstlicher Intelligenz bis zu Bioreaktorkonzepten.

 

Die Nachahmung physiologischer Aspekte in biologischen In­-vitro-­Systemen hat in den letzten Jahren rasant an Bedeutung gewonnen. Die ÖGMBT­Arbeitsgruppe „Zellbasierte As­says, Therapien und Produkte“ widmete diesem sehr aktuellen Thema kürzlich einen Workshop an der Universität für Bodenkultur (BOKU). Dessen Ziel war die Fortsetzung eines bereits 2018 ebenfalls an der BOKU abgehaltenen Workshops mit dem Schwerpunktthema „Mesenchymale Stammzellen“. Heuer ging es um Themen im Bereich „Advanced Cell Culture Tech­nologies“. Zielgruppe waren vor allem Nachwuchswissenschaftler, für die vor al­lem der aktive Austausch wissenschaftli­cher Arbeiten im Vordergrund stand. Zum Auftakt umrissen Antonina Lavrentieva (Leibniz Universität Hannover) und Jan Hansmann (Fachhochschule Würzburg­ Schweinfurt) Grundlagen, neue Entwick­lungen der 3D­Zellkulturtechnologien und mögliche Anwendungen von Automatisie­rung und künstlicher Intelligenz (KI). Das weitere Programm bildeten Kurzvorträge zu einem breiten Spektrum von Themen, darunter 3D­Tumormodelle, 3D­Verkapse­lungsstrategien und der Einsatz mechani­scher Reize im Tissue­Engineering. Das Highlight des Workshops waren Roundtable­-Gespräche zu ausgewähl­ten Aspekten der Zellkulturtechnologien. Die Diskussionsrunde „Hydrogele in 3D­-Zellkultur“ moderierte Dr. Farhad Chari­yev­-Prinz. Diskutiert wurde der Einsatz verschiedener Hydrogelsysteme für die Nachahmung physiologischer Aspekte in vitro. Hydrogele werden in verschiedens­ten Bereichen wie Tissue Engineering und der Entwicklung von In­vitro­-Modellsys­temen eingesetzt. Obwohl die Anwendung von 3D­Systemen im Vergleich zu den üb­lichen 2D­Systemen einen erheblichen Fortschritt darstellt, steht die vollständige Nachahmung der physiologischen Eigen­schaften noch aus. Dazu gehören die Ver­fügbarkeit spezifischer Bindungsstellen, der Einsatz Xeno­freier Komponenten, die Entwicklung von Strategien zur Zellfrei­setzung und die Realisierung gewebespe­zifischer mechanischer Eigenschaften. Als einfachster und wichtigster Ansatz wurde die „Verbesserung und Förderung der Zu­sammenarbeit zwischen Biologie, Chemie und Ingenieurwesen“ identifiziert.

 

Möglichkeiten und Herausforderungen

„Automatisierung und KI in Zellkultur­technologien“ war der Titel der von Jan Hansmann moderierten Roundtable. Un­ter anderem wird KI bereits in der Bild­analyse angewandt. Beispiele für Teilauto­matisierungen sind Pipettierroboter oder durchflusszytometrische Systeme (FACS). Ganzheitliche Systeme, die einen vollstän­digen Zellkulturprozess von der Zelliso­lierung bis zur Herstellung eines Zellkul­turprodukts durchführen können, finden dagegen noch kaum Verwendung, nicht zuletzt wegen der Anschaffungskosten und des Bedarfs an hochqualifiziertem Perso­nal. Zu den Hindernissen für die Nutzung von KI­Anwendungen gehören Datenver­fügbarkeit, laborspezifische Einschrän­kungen, Cybersicherheit und Vorbehalte von Forschern, da KI­Technologien sehr komplex sind und in manchen Fällen wie eine Blackbox wirken. Eine gemeinsame Herausforderung für KI und Automatisie­rung sind die rechtlichen Rahmenbedin­gungen, etwa hinsichtlich Cybersicherheit oder automatisiertes Datenmanagement. Daher sollten Experten aus KI und Auto­matisierung in die Weiterentwicklung die­ser Rahmenbedingungen einbezogen wer­den. Automatisierung sowie KI können die Standardisierung und Robustheit erhöhen und die Kosten in Zellkulturlabors senken. Ein weiteres starkes Argument für die Au­tomatisierung ist die Freisetzung von Ka­pazitäten, wenn KI die Ergebnisbewertung unterstützt und Robotersysteme Routine­arbeiten erledigen. In der Diskussionsrunde „Dynamische Kultursysteme und ­prozesse“, moderiert von Cornelia Kasper, wiederum ging es vor allem um die Bewertung bestehender Zell­kultursysteme sowie um Trends auf diesem Gebiet. Laut Kasper wurde „schon früh in der Diskussion der Mangel an ‚gemeinsa­men‘ Komponenten und Designs für ein ‚One-fits-all‘-Anwendungssystem deutlich“. Es gibt nur wenige Ansätze respektive Entwicklungen, die eine breitere An­wendbarkeit der Bioreaktoren ermögli­chen würden. Weiters ging es um die Ver­wendung von Einwegkomponenten: „Die Menge an Plastikmüll ist immens und die Einwegtechnologie macht Prozesse teuer. Gleichzeitig müssen jedoch Sicherheitsas­pekte, Robustheit, einfache Handhabung sowie die Skalierbarkeit berücksichtigt werden.“ Herausfordernd bleibe der Trans­fer von etabliertem Know­how und Instru­mentierung aus dem biopharmazeutischen Produktionsbereich in die (stamm­)zellba­sierte Therapieproduktion. „Eine engere Zusammenarbeit, Wissensaustausch und adaptive Konzeptualisierung für die Her­stellung von Zelltherapien wären im Hin­blick auf die Realisierung modularer Platt­formen vom enormen Vorteil.“ Mit „Primärzellen der Zukunft“ be­schäftigte sich der von Dominik Egger mo­derierte Roundtable. Die meisten Teilneh­mer würden Primärzellen gerne häufiger in ihrer Forschung einsetzen, insbeson­dere im Rahmen von Studien zum Tissue Engineering für In­vitro­Modelle. Limitie­rend wirken jedoch die begrenzte Verfüg­barkeit, die begrenzte Expansion sowie die hohe Variabilität der Reproduzierbarkeit. Eine mögliche Lösung wäre die vermehrte Verwendung von Vorläuferzellen, die vor der endgültigen Differenzierung expan­diert werden können. In Bezug auf die Re­produzierbarkeit diskutierte die Gruppe die Vor­ und Nachteile der Verwendung ei­ner gepoolten Zellbank vieler Spender statt vieler biologischer Replikate. Vorgeschla­gen wurde, ein Netzwerk von Klinikern und Wissenschaftlern aufzubauen, das ermöglichen würde, verfügbares Spender­gewebe für die Isolierung von Zellen ein­facher und schneller zu melden. So ließe sich verfügbares Gewebe für die Isolierung von mehr als einem Zelltyp durch mehr als eine Gruppe verwenden und die Effizienz von Gewebespenden erhöhen.„Monitoring und Imaging in 3D­Zell­kulturen“ schließlich war das Thema der von Antonina Lavrentieva moderierten Diskussionsrunde. Diskutiert wurden der ktuelle Stand der Technik sowie beste­hende Herausforderungen in diesem Be­reich. Den Teilnehmern zufolge benötigen komplexere 3D­Kultivierungssysteme auch komplexere Analysewerkzeuge. Schwie­rig bleibt das Hochdurchsatz­Screening in 3D­Systemen. Der „Goldstandard“ CLSM ist halbquantitativ und erfordert eine Mo­lekülmarkierung, die die Zellfunktion und intrazelluläre Prozesse beeinflussen kann. Der Raman­Technologie fehlen Werkzeuge zur einfachen Analyse und Interpretation von Spektraldaten bezüglich biologisch re­levanter Informationen. Die in jedem La­bor verfügbare Fluoreszenzmikroskopie hat aber keine Z-Auflösung. Weitere Prob­leme sind die räumliche Heterogenität von 3D­Proben, die Aufrechterhaltung der Zell­lebensfähigkeit und optische Gewebetrans­parenz. Es überwiegen Endpunktanalysen, die eine adäquate Normalisierung erfor­dern. Auch gibt es noch keine eindeutigen Definitionen von 3D-Konstrukten und de­ren Größen und Geometrien. Geweberei­nigung ist eine  mögliche Lösung, erfordert jedoch eine Gewebefixierung. Nicht­opti­sche Methoden und linsenfreie Mikrosko­pie könnten in naher Zukunft dazu bei­tragen, komplexe 3D­Konstrukte besser zu überwachen. Genetisch codierte Biosen­soren und kleine Sensormoleküle liefern räumlich­zeitliche Informationen für die nicht­invasive Überwachung von 3D­Kul­turen.“


Positive Rückmeldungen
Überdies wurde auf dem Workshop ein Posterpreis verliehen. Die Gewinnerinnen sind Sonya Ciulean vom Fraunhofer In­stitut für Zelltherapie und Immunologie (IZI) in Leipzig sowie Julia Moldaschl vom Department für Biotechnologie, Institut für Zell­ und Gewebekulturtechnologien (ICTCT) der BOKU. Organisiert wurde der Workshop mit  Unterstützung der ÖGMBT von Cornelia Kasper, Dominik Egger und Farhad Chariyev­Prinz. „Wir haben sehr viele positive Rückmeldungen zu diesem Format erhalten und freuen uns sehr, dass wir nach der langen Corona­Pause wieder einen „Live“­Workshop anbieten konn­ten“, resümiert Kasper.

 

Der Beitritt zur und die aktive Mitarbeit in der Arbeitsgruppe „Zellbasierte Assays, Therapien und Produkte“ der ÖGMTB ist jederzeit möglich. 

https://oegmbt.at/ueber-uns/working-groups/cbatpworking-groups/cbatp

Published in Chemiereport 03/2023