Dass die Österreichische Nationalbank ihren „originären Jubiläumsfonds“ neu ausrichten
und auf „notenbankenrelevanten Fragestellungen“ einengen will, sorgt für Bestürzung
in der Wissenschafts-Community. Der Grundlagenforschung würde eine wichtige
Finanzierungssäule wegbrechen.
Im Oktober ging ein Aufschrei durch die Wissenschaftslandschaft: In einer Aussendung verkündete die Österreichische Nationalbank (OeNB), den sogenannten „originären Jubiläumsfonds“, der in den vergangenen Jahren zwischen drei und sechs Millionen Euro in die Förderung von medizinischer, sozial- und geisteswissenschaftlicher Forschung gesteckt hatte, völlig neu auszurichten. Ab 2020, war da zu lesen, sollen die von dem Fonds geförderten Projekte „im Rahmen originärer Untersuchungen den Stand der Forschung in notenbankenrelevanten Fra-gestellungen unter besonderer Berücksichtigung kommunizierter Schwerpunkte behandeln“. Notenbankenrelevante Frage-stellungen? Das klingt nicht nach medizinischer Forschung, auch nicht nach Geis-teswissenschaften. Nicht die genannten Wissenschaftsdisziplinen, sondern der inhaltliche Bezug zu 19 Themenclustern soll künftig das Kriterium der Förderbarkeit darstellen. Die Rolle von Zentralbanken, Geldpolitik oder Finanzmarktstabilität war da genannt, ebenso Investitionsstra-tegien, europäische Wirtschaftsintegration oder Fragen des Arbeitsmarkts, auch aus-gewählte Themenstellungen der Rechts-, Sozial- und Geisteswissenschaften, aber nur dann, wenn dabei Fragen der Wirtschafts- und Standortpolitik besondere Be-rücksichtigung finden.
Für die medizinisch orientierte For-schung würde das einen herben Rück-schlag bedeuten. In einem geharnischten Brief an das Direktorium und den Vorsit-zenden des Generalrats der Nationalbank brachten die Präsidenten von 51 wissenschaftlichen Gesellschaften, darunter an prominenter Stelle auch ÖGMBT-Präsident Lukas Huber, zum Ausdruck, dass man die angekündigte Reform des originären Jubiläumsfonds mit ihrer „Schärfung der Förderstruktur“ sarkastisch finde. „Die österreichische Grundlagenforschung hatte schon bisher erhebliche Standortnachteile aufgrund der notorisch unzu-reichenden finanziellen Ausstattung des Wissenschaftsfonds FWF sowie einer im Vergleich zu Deutschland, den Niederlan-den und insbesondere der Schweiz prak-tisch inexistenten Finanzierung durch Stif-tungen“, so die Vertreter der Wissenschaft. Damit melde sich nun auch der Jubiläums-fonds de facto aus der Forschungsförderung dreier kritischer Disziplinen ab.
Aufschrei in der medizinischen Forschung
Insbesondere der eng gesetzte thematische Fokus stieß der Forschungsgemein-schaft sauer auf: Es wurde darauf ver-wiesen, dass die Nationalbank ja eigene Abteilungen zur Beforschung der genannten Themencluster zur Verfü-gung habe, wie sie selbst angab. Zudem stellte man die Frage, ob es in Österreich überhaupt ausreichend Forschungsgrup-pen zu diesen Themen gebe, „um eine der-artige Einengung des Fokus auf Kosten der aussortierten Disziplinen zu rechtfertigen“.
Erstunterzeichner des Briefs ist Han-nes Stockinger, Präsident des Verbands der Wissenschaftlichen Gesellschaften Österreichs und selbst Leiter des Zentrums für Pathophysiologie, Infektiologie und Immunologie sowie des Instituts für Hygiene und Angewandte Immunologie der Medizinischen Universität Wien. „Für die drei Disziplinen, die bisher gefördert wurden, ist diese Säule essenziell. In meiner Orga-nisation wurden in den letzten Jahren drei bis vier Projekte
beim Jubiläumsfonds eingeworben. Außer dem Jubiläumsfonds und dem FWF haben wir kein Instrument, das eine substanzielle Finanzierung ermöglicht“, sagt Stockinger im Gespräch mit dem Chemiereport. Für Stockinger und seine
Kollegen aus der klini-schen medizinischen Forschung ist die Einengung des Fokus völlig unverständlich. Auch die Senate der drei österreichischen Medizin-Universitäten hätten sich bereits kurzgeschlossen, die Betriebsräte sich zu Wort gemeldet.
Neben ÖGMBT-Präsident Lukas Huber haben auch andere Vorsitzende biowis-senschaftlicher Forschungsgesellschaften den Aufruf unterschrieben, beispielsweise Sigismund Huck, Präsident der Österrei-chischen Gesellschaft für Neurowissen-schaften, Alexander Rosenkranz, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie oder Thomas Stockner, Präsident der Österreichischen Biophysikalischen Gesellschaft. Auch die Universitätenkonferenz Uniko appellierte an die Nationalbank: „Die gänzlich unabgestimmte Vorgangsweise des OeNB-Direktoriums zeugt von einem wenig sorgsamen Umgang mit dem österreichischen Forschungs- und Wissenschaftssystem“, hieß es in der Aussendung von Uniko-Präsident Oliver Vitouch. Der Jubiläumsfonds sei nicht irgendein Instrument, sondern seit über 50 Jahren ein strukturelles Element der öffentlichen Forschungsförderung.
Nationalbank verteidigt Vorgehensweise
Auf eine Anfrage zur Reaktion der Nationalbank auf die doch massiv vorgebrach-ten Bedenken der Wissenschafts-Community wurde der Chemiereport auf einen Brief des Direktoriums der Nationalbank an Uniko-Präsident Oliver Vitouch ver-wiesen. In diesem heißt es, der originäre Jubiläumsfonds werde auch zukünftig ein bedeutendes Element der heimischen For-schungslandsaft darstellen. Die inhaltliche Neuausrichtung sei Ergebnis eines sehr breiten und intensiven Diskussionsprozes-ses gewesen, Ziel sei keine harte Zäsur der bisherigen Entwicklung, sondern deren Weiterentwicklung. Die Festlegung auf die Förderung von Grundlagenforschungspro-jekten mit inhaltlichem Bezug zu notenbankenrelevanten Themenbereichen habe dabei auf mehreren Überlegungen gegründet: Forschungsschwerpunkte mit notenbankenrelevantem Bezug seien im internationalen Ver-gleich unterrepräsen-tiert. Durch die Kon-zentration der Mittel sollen akademische Karriereverläufe und -modelle nachhaltig in diesen Bereichen gefördert werden. Das Bekenntnis sei ein län-gerfristiges, was den Wissenschaftsstandort Österreich zu notenbankenrelevanten Themenstellungen attraktiver mache. Und schließlich stelle die inhaltliche Neuausrichtung eine not-wendige Angleichung an internationale Standards dar. Dies entspreche internationalen Benchmarks anderer kleinerer und mittelgroßer Forschungsförderer.
Darüber hinaus bekenne sich die Natio-nalbank dazu, dass Forschungsförderung und insbesondere wissenschaftliche Nach-wuchsförderung eine Säule ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung seien, obwohl dies nicht auf einem gesetzlichen Notenbankmandat beruhe. Konkret wird in dem Schreiben auf den ebenfalls von der OeNB verwalteten Jubiläumsfonds für die FTE-Nationalstiftung verwiesen, der demnach nicht von der Neuausrichtung betroffen ist.
Schließlich verweist das Schreiben der Notenbanker darauf, dass man mit der strategischen Änderung bezüglich des originären Jubiläumsfonds von einer disziplinären zu einer thematischen inhalt-lichen Ausrichtung übergegangen sei: „Forscherinnen und Forscher sämtlicher österreichischer Forschungseinrichtungen sind daher herzlich eingeladen, Anträge innerhalb der für sie hoffentlich interes-sant gestalteten Förderausrichtung mit freier Themenwahl einzureichen.“ Welche Bezüge etwa die medizinische Forschung zu den notenbankenrelevanten Themenclustern herstellen soll, bleibt freilich eine offene Frage.