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Wir sind ab nun regelmäßig im CHEMIE REPORT mit einer ÖGMBT-Kolumne mit den neuesten Entwicklungen aus der österreichischen Life Science Szene vertreten. Wenn Sie einen interessanten Beitrag dazu leisten wollen, richten Sie Ihre Anfrage bitte an die Geschäftsstelle!

 

 

Mehr Geld für herausragende Wissenschaft

on 23 January, 2020

FWF Präsident Klement Tockner strahlt gespannte Ruhe aus, als wir ihn am Rande des Forum Alpbach zum Gespräch treffen. Dass das Gespräch mit immer neuen politischen Verantwortlichen, denen gegenüber er als unermüdlicher Anwalt der Grundlagenforschung auftritt, einem Kampf gegen Windmühlen gleiche, will er so nicht sagen: „Wir haben einiges erreicht, z. B. ein höheres Fördervolumen, das den Forschenden direkt zugute-kommt.“ Dennoch könne man sich damit nicht zufriedengeben, es seien visionäre Schritte für die Zukunft nötig: „Wir haben unglaubliche Talente in Österreich, der Wille zum Investieren ist da – jetzt muss
man den Mut aufbringen, es auch zu tun.“ Die Forderung nach deutlicher Erhöhung der im Wettbewerb vergebenen Mittel für Grundlagenforschung wird im österreichischen Forschungssystem seit langem erhoben. Im Regierungsprogramm von ÖVP und FPÖ von Dezember 2017 wurde sie der Formulierung nach übernommen, die konkrete Umsetzung blieb zunächst offen. Im November 2018 kündigte Wissenschaftsminister Heinz Faßmann an, zwei Maßnahmen setzen zu wollen, die das im Regierungsprogramm Angekündigte kon-kretisieren sollten: eine Exzellenz-Initiative, um bestimmte Forschungsbereiche langfristig so ausstatten zu können, dass Österreich in der vordersten Liga mitspielen kann – und ein Forschungsfinanzierungsgesetz, um die geplante Erhöhung der Forschungsquote auf 3,76 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in einen festgeschriebenen Finanzierungspfad zu übersetzen. Die Konzepte für beide Maßnahmen sollten bis zu einem Forschungsgipfel im Frühjahr 2019 ausgearbeitet werden. Doch der Gipfel wurde zunächst auf Herbst verschoben, und dann platzte die Regierung und die Wissenschaft hängt mit ihren Forderungen buchstäblich in der Luft.
Allianz macht sich für Wissenschaft stark
Darauf reagierte im August die soge-nannte „Allianz österreichischer Wissenschaftsorganisationen“: „Die Allianz hat keinen formalem Charakter, sie ist ein Zusammenschluss von FWF, Wissenschaftsrat, der Universitätenkonferenz Uniko, der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, des ERA Council Forum Austria von Helga Nowotny und des IST Austria, um unseren Anliegen in der Öffentlichkeit Nachdruck zu verleihen“, sagt Tockner. Neben der Exzellenzinitiative und dem Forschungsfinanzierungs-gesetz sind das die langfristige finanzielle Ausstattung der Nationalstiftung, die Über-nahme von Overhead-Kosten bei geförder-ten Grundlagenforschungsprojekten sowie die Erhöhung des wettbewerblich vergebe-nen Anteils der Forschungsförderungsmittel, also eine bessere Grundausstattung des FWF – insgesamt also ein Forderungskatalog in fünf Punkten.
Die Allianz wollte bewusst einen sommerlichen Schritt setzen, damit nicht wäh-rend der Amtsführung der Übergangs-regierung und dem frisch angelaufenen Wahlkampf zu viel Zeit ungenutzt verstreicht. Denn eigentlich liegt alles auf dem Tisch. „Die drei Räte und der FWF erhielten vom Ministerium den Auftrag, ein Konzept für eine Exzellenzinitiative auszuarbeiten. Wir konnten Konsens darüber erzielen, dass diese aus drei Säulen bestehen soll.“ Die erste dieser Säulen stellen Exzellenz-custer dar, die auf bestehende Stärken der österreichischen Wissenschaftslandschaft aufbauen sollen. Tockner kann sich vorstellen, dass über die nächsten zehn Jahre vier bis fünf solcher Cluster in mehreren Ausschreibungen entstehen könnten. Im Unterschied zum deutschen Exzellenzprogramm hielt man es aber für zu wenig, allein darauf zu setzen. In einer zweiten Säule, die man „Emerging Fields“ nennt, sollen neue Themenbereiche aufgebaut werden, mit dem klaren Ziel, darin international führend zu werden. Und schließ-lich sollen unter dem Titel „Austrian Chairs of Excellence“ Universitäten dabei unterstützt werden, bei Lehrstuhlberufungen die besten Köpfe zu bekommen.


Stimmen aus der Wissenschafts-Community
„Bei einer Exzellenzinitiative geht es nicht nur um Geld, sondern auch um eine akademische Kultur, die auf Zusammenarbeit und Wettbewerb setzt“, sagt dazu der Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Antonio Loprieno. Wo früher der einzelne Forscher am Zug gewesen sei, entstünden jetzt neue Formen der individuel-len und institutionellen Zusammenarbeit, die sich auch kompetitiv bewähren müss-ten. „Diese neue, aber in den meisten europäischen Ländern schon etablierte For-schungskultur kommt in Österreich noch etwas zu kurz“, so Loprieno. ÖGMBT-Präsident Lukas Huber begrüßt den Vorstoß, warnt aber davor, dass Gelder nur verlagert werden: „Die Finanzierung einer Exzellenz-Initiative darf nicht zulasten der Basisfinanzierung des FWF gehen.“ Nur eine gute Grundausstattung der Forschungs-förderung könne garantieren, dass Österreich international Anschluss finde: „Junge Forscher, die kein Geld bekommen, können keine guten Publikationen hervorbringen, umso schlechter werden die Chancen, wie-der Drittmittel zu lukrieren. Hier droht eine Spirale nach unten“, meint Huber.
Tockner ist es wichtig, dass Themen, zu denen Exzellenzcluster entstehen oder „Emerging Fields“ aufgebaut werden sollen, nicht von der Politik vorgegeben werden, sondern in einem Bottom-up-Prozess aus der Forschungscommunity selbst vorge-schlagen werden. Außerdem ist ihm daran gelegen, dass im Zuge von nationalen und internationalen Kooperationen Synergien genutzt werden, damit die Isolation durch-brochen wird. Grundlagenforschung heiße dabei nicht, dass man die gesellschaftliche Relevanz der bearbeiteten Themen außer Acht lasse: „Wir sind offen für eine Beteili-gung von Partnern aus der Industrie oder aus der Zivilgesellschaft. Viele Herausforderungen sind nur Disziplinen- und Institutionenübergreifend zu bearbeiten.“
Welche Resonanz kann man in der derzeitigen politischen Situation auf ein solches Programm erwarten? „Uns ist wichtig, dass die fünf Punkte im nächsten Regierungsprogramm aufgegriffen werden“, sagt Tockner: „Es ist für alle Politiker ja sonnenklar, was zu tun ist, um die Zukunft unserer Kinder zu sichern und die besten Forscherinnen und Forscher aus aller Welt anzuziehen und mit ihnen die innovativsten Unternehmen. Wissen ist der wertvollste Rohstoff, den wir in Zukunft haben werden“, findet der FWF-Präsident klare Worte.

Original Kolumne im Chemie Report 06/2019