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Wir sind ab nun regelmäßig im CHEMIE REPORT mit einer ÖGMBT-Kolumne mit den neuesten Entwicklungen aus der österreichischen Life Science Szene vertreten. Wenn Sie einen interessanten Beitrag dazu leisten wollen, richten Sie Ihre Anfrage bitte an die Geschäftsstelle!

 

 

Das Tal der Pflanzen

on 11 February, 2019

In Tirol hat sich rund um die Aktivitäten des ADSI ein pflanzen-wissenschaftlicher Forschungsschwerpunkt herausgebildet, der nun unter der Marke „Phytovalley“ firmiert.

 Es ist wohl nicht in erster Linie der hohen Diversität an Pflanzenarten zu verdanken, die Tirol mit seiner Lage inmitten der Alpen beherbergt, dass hier in den vergangenen Jahren ein wissenschaftlicher Schwerpunkt zum Thema Pflanzeninhaltsstoffe entstanden ist. Dies hat vielmehr mit der Kompetenz auf den Gebieten Analytische Chemie, Zellbiologie und Bioinformatik zu tun, die in Innsbruck seit langem aufge-baut wurde. Michael Popp, Eigentümer von Bionorica, einem der führenden Hersteller pflanzlicher Arzneimittel, war dieses Profil seit langem bekannt, hatte er doch selbst an der Uni Innsbruck in Analytischer Chemie promoviert. 2005 siedelte er die For-schungstochter Bionorica Research GmbH hier an, um die Wirkung pflanzlicher Arzneimittel wissenschaftlich zu beforschen und hat seither ein GLP-konformes Phytoscreening für die Arzneimittelentwicklung aufgebaut.
Als 2012 das ADSI (Austrian Drug Screening Institute) gegründet wurde, war Bionorica von Anfang an als Unternehmenspartner mit dabei. „Das ADSI ist in der Beschäftigung mit natürlich vorkommenden Verbindungen das Bindeglied zwischen Grundlagenforschungsinstitutionen und Industriebetrieben“, sagt dazu Günther Bonn, wissenschaftlicher Leiter des ADSI und Professor für Analytische Chemie an der Uni Innsbruck. Das Institut verbindet Kapazitäten auf mehreren Fachgebieten miteinander: In der Analytischen Abteilung versteht man sich auf chromatographi-sche Trennmethoden, Massenspektrometrie sowie IR- und Ramanspektroskopie. Hier können Pflanzenextrakte schnell und systematisch nach wirksamen Substanzen durchsucht werden. Im Bereich der Zellbiologie ist man auf Screening-Methoden spezialisiert, die die Wirkung chemischer Verbindungen auf Signaltransduktionswege, Zell-Zell-Wechselwirkungen und Immunmodulation testen. Auf diesem Gebiet profitiert man vom Know-how der Zellbiologie-Abteilung der Medizinischen Universität Innsbruck, die von ADSI-Mitgründer Lukas Huber geleitet wird. Die Bioinformatik-Abteilung schließlich kombiniert die analytisch-chemischen und die biologischen Daten und führt sie in Datenbanken zusammen. Ergänzt wird das methodische Portfolio durch ent-sprechendes Know-how auf dem Gebiet der Extraktion und Fraktionierung bioaktiver Substanzen. Huber, der derzeit ÖGMBT-Prä-sident ist, kann auf eine langjährige Firmenmitgliedschaft des ADSI in der ÖGMBT verweisen. „Es wird immer wichtiger, unter-schiedliche Forschungsdisziplinen miteinander zu vernetzen, und auch eine Brücke zwischen Grundlagenforschung und der Industrie zu bauen. Genau hier spielt die ÖGMBT eine wichtige Rolle - durch ihre ausgedehnte Community bietet die ÖGMBT den For-schern, egal ob jung oder erfahren, die perfekte Vernetzungsplatform um vielfachen Austausch zu ermöglichen“, so Huber.


Phytopharmakologie, Phytokosmetik, Phytoernährung


Mit diesem Rüstzeug hat sich das ADSI in den vergangenen Jahren zur Drehscheibe der Phytochemie entwickelt. „Pflanzenforschung ist der Schwerpunkt unserer Aktivitäten geworden“, sagt Bonn. Gemeinsam mit Bionorica wird pflanzliches Material extrahiert, die enthaltenen Verbindungen werden analysiert und hinsichtlich ihrer biologischen Wirkungen (z. B. im Hin-blick auf metabolisches Syndrom oder entzündliche Erkrankungen) charakterisiert. Darüber hinaus konnten aber auch weitere Unternehmen als Partner gewonnen werden. Auf dem Gebiet der Phytokosmetik arbeitet man mit dem Schweizer Naturkosmetik-Unternehmen Weleda und der in Innsbruck beheimateten Firma Cura Cosmetics zusammen. In diesem Arbeitsbereich geht es darum, die Wirkung kosmetischer Produkte auf die Haut wissenschaftlich zu verstehen. Dazu werden einerseits metabolische Veränderungen und Sekrete mit der am ADSI vorhandenen LCMS-Technologie und andererseits die vielfältigen zellbiologischen Wirkungen (metabolische Aktvierung, pH-Regulierung, Zellregeneration …) untersucht. „Lukas Huber und seine Mitarbeiter haben eigene Hautmodelle entwickelt, die hier zur Anwendung kommen“, erzählt Bonn.
Ein drittes Feld hat man auf dem Gebiet der pflanzlichen Ernährung eröffnet. Gemeinsam mit einem österreichischen Energy-Drink-Anbieter werden z. B. die Inhaltsstoffe der zum Einsatz kommenden Pflanzextrakte untersucht. „Die Forschungsarbeiten auf allen drei Gebieten dienen der Eta-blierung von Qualitätsstandards und der Entwicklung von Produkten, die Wirksamkeit und Produktsicherheit optimal mit-einander verbinden“, so Bonn.
Eine neue Marke
Um all das unter einem griffigen Begriff zusammenzufassen, haben sich die Innsbrucker Forscher um Bonn die Marke „Phyto-valley“ schützen lassen. Das Label soll zum Ausdruck bringen, dass man im Inntal die Kompetenzen von Forschung und Unternehmen miteinander verbindet. Mit der räumlichen und organisatorischen Nähe zu den Innsbrucker Uni-Kliniken steht auch die Infrastruktur für klinische Anwendungen zur Verfügung. Dazu Bonn: „Durch die hohe Kompetenz am Standort profitieren Universitäten, Fachhochschulen und ortsansässige Firmen, überdies hat dies den Anreiz gesetzt, dass neue Firmen nach Österreich kommen, wodurch über 130 neue Arbeitsplätze langfristig innerhalb kurzer Zeit geschaffen werden konnten.“
Neben der Finanzierung der pflanzenwissenschaftlichen Aktivitäten durch Bund und Land Tirol, steuern die Partnerunternehmen daher einen immer größeren Anteil bei. Bionorica allein hat bisher bereits mehr als 30 Millionen Euro in den Stand-ort Innsbruck investiert, vergangenes Jahr hat Firmeninhaber Michael Popp beschlossen, die Stärke des Forschungsstandorts auf dem Gebiet der Phytowissenschaften zusätzlich mit seiner privaten Stiftung zu nutzen und ein eigenes Forschungsinstitut zu gründen und vollständig zu finanzieren („Michael Popp Forschungsinstitut“). Gemeinsam mit der Uni Innsbruck wurden zwei Stiftungsprofessuren ausgeschrieben. „Das stärkt die Situation des Standorts enorm“, meint dazu Bonn.
Die internationale Sichtbarkeit der phytowissenschaftlichen Aktivitäten in Tirol wurde auch durch die von 13. bis 15. Jänner bereits zum zweiten Mal stattfindenden „Austrian Summit on Natural Products“ erhöht. Das Symposium brachte internationale Exper-ten auf dem Gebiet der bioaktiven Substanzen  und ihrer Anwen-dung in Pharmazie und Phytokosmetik nach Seefeld in Tirol.

Original Kolumne 01/2019