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Wir sind ab nun regelmäßig im CHEMIE REPORT mit einer ÖGMBT-Kolumne mit den neuesten Entwicklungen aus der österreichischen Life Science Szene vertreten. Wenn Sie einen interessanten Beitrag dazu leisten wollen, richten Sie Ihre Anfrage bitte an die Geschäftsstelle!

 

 

„Wir leben von der Freizügigkeit“

on 27 June, 2016

Es ist nicht immer einfach, Wissenschaftler und Top-Experten aus dem Ausland in Österreich zu beschäftigen. Die ÖGMBT hat sich bei Verantwortlichen an Universitäten, nicht-universitären Forschungseinrichtungen und Unternehmen umgehört.

Schon bisher war es nicht immer einfach, Wissenschaftler und Fachexperten, die aus einem Land außerhalb der EU stammen, auf einem ganz bestimmten Teilgebiet der Life Sciences in Österreich zu beschäftigen. Es gleiche oft einem Kunststück, hochkarätige Wissenschaftler davon zu überzeugen, ihre Forschung in Österreich fortzusetzen, ist aus der Forschungscommunity zu hören. Gerade Asiaten würden etwa viel stärker danach streben, in die USA zu gehen, als nach Europa zu kommen. „Europa – und somit auch Österreich – muss jeden Vorzug ausspielen, den es bieten kann. Eine Verschärfung der ohnehin bereits etwas umständlichen Bürokratie für Ankommende, wie sie derzeit politisch diskutiert wird, ist somit sicher kein Standortvorteil“, meint etwa Michael Krebs, kaufmännischer Geschäftsführer am Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA). Georg Haberhauer, für Personal und Organisationsentwicklung verantwortlicher Vizerektor der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU), stößt ins selbe Horn. Angesprochen auf Diskussionen darüber, dass selbst der freie Personenverkehr innerhalb der EU zur Disposition stehen könnte, meint Haberhauer: „Freizügigkeit in der EU ist ein wichtiges Element in der Wissenschaft. Wenn das eingeschränkt wird, wäre das ein Rückfall in die Provinzialität.“ Die derzeitigen bürokratischen Hürden bei der Beschäftigung eines ausländischen Top-Experten sind mühsam, aber bewältigbar, so der Tenor der Stimmen aus einschlägig tätigen Forschungsinstitutionen und Unternehmen. Langwierig kann es etwa sein, eine gültige Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen, die auch zur Arbeit berechtigt. Sabine Steurer, Leiterin Recruiting & Personnel Development am IMBA und seinem Partnerinstitut IMP, war schon öfter mit Schwierigkeiten in diesem Bereich konfrontiert: „Mindestens zwei Mal müssen unsere zukünftigen Kollegen persönlich am Amt erscheinen. Es wäre eine Erleichterung, wenn wir als Arbeitgeber einen Teil dieser Wege erledigen könnten, sodass ein Wissenschaftler nur mehr maximal einmal den Weg zum Amt antreten muss.“ Am IMBA werde neuen Kollegen aber umfassende Beratung und Hilfe bei allen Formalitäten geboten, damit diese hier einen guten Start haben und sich willkommen fühlen.

Bürokratische Hürden


Insgesamt gibt es aber für Wissenschaftler, die ihre Arbeit in Österreich fortsetzen wollen, Erleichterungen bei den bürokratischen Prozessen im Vergleich zu Antragstellern anderer Berufsgruppen. „Es ist noch nie passiert, dass ein Forscher aufgrund der notwendigen Formalitäten nicht ans IMBA gekommen wäre“, so Krebs. Das kann auch Haberhauer für die BOKU bestätigen. Schwierig werde es vor allem, wenn man kurzfristig eine bestimmte Person engagieren will. Wenn etwas langfristig geplant sei, gebe es aber keine Schwierigkeiten, rechtzeitig eine Rot-Weiß- Rot-Karte zu bekommen. „Wir fischen ja in einem sehr elitären Segment, suchen extrem gute Köpfe“, so Haberhauer. Dafür gebe es entsprechende Ausnahmekontingente. Bei Studenten wiederum, die an die BOKU kommen, um zu studieren, gehe es bei manchen Ländern auch um Entwicklungszusammenarbeit. Hier sei das Ziel, dass Absolventen wieder in ihre Heimatländer zurückbringen, was sie hier gelernt haben. Dafür gebe es Kanäle, die ein solches Anliegen behördlich unterstützen.

Fischen in einem elitären Segment


Vor einer speziellen Situation steht das Recruiting der auf Futter- und Lebensmittelsicherheit fokussierten Erber Group, die ihre Firmenzentrale in Getzersdorf nahe Herzogenburg und einen großen Forschungsstandort in Tulln hat. Einerseits
benötigt man hier Mitarbeiter für den Forschungsbereich, die man relativ leicht mit Abgängern von Universitäten aus dem deutschsprachigen Raum abdecken kann. Andererseits werden für Aufgaben wie Produktmanagement Experten auf dem sehr speziellen Gebiet der Tierernährung benötigt, die am Markt nur schwierig zu bekommen sind. Bei derartigen Fachleuten kann man nicht auf die Herkunft achten – was formal nicht immer einfach ist. „Es dauert mindestens acht Wochen, bis man eine Rot- Weiß-Rot-Karte bekommt. Das ist Zeit, in der der Mitarbeiter schon für das Unternehmen produktiv sein könnte“, erzählt Kai Lie Chu, die bei der Erber Group für Recruiting verantwortlich ist. Wenn es noch längere Verzögerungen gibt, liegt das nicht selten an mangelnder Kooperationsbereitschaft der Behörden des Heimatlandes des Betreffenden. „Bei einer Expertin aus der Inneren Mongolei, die in Norwegen studiert hatte, hat es mehr als ein halbes Jahr gedauert, bis alle Formalitäten erledigt waren.“ Einfacher sei es, wenn jemand bereits in Österreich studiert habe. Weil sich die Zuständigkeit der Behörden nach dem Wohnsitz des Bewerbers richtet, hat man bei der Erber Group sowohl mit niederösterreichischen als auch mit Wiener Ämtern Erfahrung – und da zeigen sich Unterschiede in der Abwicklung. „In Niederösterreich ist man wesentlich kooperativer, wenn es darum geht, den Status zu einem Kandidaten zu erfahren. Da gibt es eine zentrale Ansprechperson, und man wird nicht von einem zum anderen verwiesen“, so Chu. Dass die politische Lage schon derzeit zu zusätzlichen Einschränkungen bei der Anstellung ausländischer Experten geführt hätte, kann man in keiner der angesprochenen Institutionen bestätigen. Dennoch warnt Birgit Leitner, Employer Brand Manager der Erber Group: „Einschränkungen im grenzüberschreitenden Personenverkehr wären alles andere als wünschenswert.“

Original Kolumne 02/2016