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Wir sind ab nun regelmäßig im CHEMIE REPORT mit einer ÖGMBT-Kolumne mit den neuesten Entwicklungen aus der österreichischen Life Science Szene vertreten. Wenn Sie einen interessanten Beitrag dazu leisten wollen, richten Sie Ihre Anfrage bitte an die Geschäftsstelle!

 

 

Grundlagenforschung als Quelle der Innovation

on 11 February, 2014

Kommentar der ÖGMBT zum Regierungsprogramm

 

In einem Gastkommentar analysiert Josef Glößl, Präsident der ÖGMBT und Vizerektor für Forschung an der BOKU Wien, das Regierungsprogramm im Lichte der Grundlagenforschung und stellt sie den – nicht nur für die Life-Sciences-Community – alarmierenden Budgetszenarien des FWF - gegenüber.

 

Wir befinden uns inmitten einer rasanten Entwicklung, die eine zunehmend global vernetze Wissensgesellschaft entstehen lässt. In einer solchen bilden Wissenschaft und Gesellschaft keine klar abgrenzbaren Einheiten, sondern gehen kontextabhängig ineinander über. Um Antworten auf die großen gesellschaftlichen und ökonomischen Herausforderungen
- wie Verknappung von natürlichen Ressourcen und Energie, Sicherung von globaler Ernährung und Gesundheit, Klimawandel, zunehmende Zivilisationskrankheiten, demographische Veränderungen - zu finden, sind technologische und soziale Innovationen unabdingbare Voraussetzungen. Auf Grund der Komplexität der Anforderungen sind in der Forschung vermehrt vernetzte, interdisziplinäre Zugänge erforderlich. Wissenschaftliche Exzellenz muss dabei zunehmend auch mit gesellschaftlicher Relevanz von Forschung verknüpft werden, die jedoch über rein
ökonomische Interessen hinausgeht. In diesem Kontext ist es entscheidend, den Stellenwert der Grundlagenforschung zu beleuchten.
Nur in der Grundlagenforschung entsteht wirklich Neues, sie ist konstitutives Element und notwendige Voraussetzung für technische und soziale Innovationen und somit für die Entwicklung einer wissensbasierten Gesellschaft. In Österreich sind die Universitätendie zentralen Stätten der Grundlagenforschung, sie betreiben nicht nur Forschung,
sondern bilden auch den wissenschaftlichen Nachwuchs aus, auch für die außeruniversitären Forschungseinrichtungen sowie für die Wirtschaft und Industrie. Wie stellt sich nun die Situation der Forschungsförderung nach der Regierungsbildung und der Zusammenlegung des Wissenschaftsmit dem Wirtschaftsministerium dar? Die Aufgabe
eines eigenständigen Wissenschaftsministeriums wurde auf breiter Basis zunächst als Signal mangelnder Wertschätzung des Stellenwertes von Wissenschaft und Forschung gelesen. Andererseits sind aus dem Regierungsprogramm
durchaus eine Reihe ambitionierter Ziele und Vorhaben für die Weiterentwicklung von Wissenschaft und Forschung herauszulesen, die im Wesentlichen auf der Linie der FTI-Strategie der Bundesregierung von 2011 liegen. Beispiele dafür sind ein Bündel von Maßnahmen, um Österreich „in die Spitzengruppe der innovativsten Forschungsländer Europas“ heranzuführen, etwa durch Schaffung von zusätzlich 2500 Doktorats- und Postdoc-Stellen oder die Vorlage eines Forschungsfinanzierungsgesetzes.
Die Realisierung dieser Vorhaben wird die Nagelprobe dafür sein, wie strategisch und zukunftsorientiert die
Vereinigung des Wissenschafts- mit dem Wirtschaftsressort angelegt war, ob die postulierten und auch unbestritten möglichen Synergien tatsächlich gehoben werden können.
Damit die definierten Ziele erreicht werden können muss postuliert werden, dass

  • eine strategisch angelegte Finanzierungsoffensive der Forschung, insbesondere der Grundlagenforschung erfolgt. Eine Aufstockung des FWF-Budgets um mindestens 100 Millionen Euro jährlich, verbunden mit einer weiteren zehn-prozentigen Steigerung pro Jahr, wäre die notwendige Konsequenz, wie die vorgelegten Szenarien des FWF zeigen (siehe auch Beitrag auf Seite 14);
  • die Finanzierung der Universitäten als zentrale Stätten der Grundlagenforschung auf ein international konkurrenzfähiges Niveau gehoben werden - verglichen etwa mit der Schweiz.

Zugleich ist zu hinterfragen, ob die im Regierungsprogramm genannten Ziele mit der aktuellen Realität vereinbar sind. Auf Grund der stark gestiegenen Nachfrage nach Fördermitteln aus den Universtäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen einerseits und der Stagnation des FWF-Budgets andererseits ist die Bewilligungsrate für Forschungsprojekte bereits heute auf ein kaum mehr vertretbar niedriges Niveau abgesunken. Auf Basis des gültigen Bundesfinanzrahmengesetzes ist jedoch keine Steigerung des BMWF-Budgetansatzes bis 2017 vorgesehen, damit würde wohl auch das FWF-Budget nominell weiter stagnieren, real sogar abnehmen. Daraus ergäbe sich die untragbare Situation, dass der FWF bereits ab 2014 keine neuen Schwerpunktprojekte (Spezialforschungsbereiche, Doktoratskollegs) bewilligen könnte und die Bewilligungsrate bei den Einzelprojekten noch weiter absinken würde. Die Konsequenz daraus wäre zwangsläufig, dass viele junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht mehr über Forschungsprojekte finanziert werden könnten und damit für die Forschung wohl für immer verloren wären. Darüber hinaus würden von der Politik mit Recht geforderte Schwerpunktsetzungen und Profilbildungsprozesse an den Universitäten konterkariert werden, da FWFgeförderte Schwerpunktprojekte wichtige Instrumente dafür sind. Es muss daher die Frage erlaubt sein, ob dies im Sinne der FTI-Strategie der Bundesregierung und des neuen Regierungsübereinkommens ist und ob Österreich damit in die Spitzengruppe der innovativsten Forschungsländer Europas aufsteigen kann. Noch lebt die Hoffnung, dass die Zusammenführung des Wissenschafts- mit dem Wirtschaftsressort als weitsichtige strategische Aktion interpretiert werden kann, die es der Bundesregierung erleichtert die richtigen, dringend notwendigen Maßnahmen zur Stärkung der Forschungs- sowie der darauf basierenden Innovationskraft Österreichs zu setzen.

Original Kolumne 01/2014